Der ehemalige Fliegerhorst Erlenbruch liegt seit vielen Jahren im Dornröschenschlaf. Doch der Investor in Form der Schönwalde Wohnen GmbH & Co KG plant seit 2018, die leerstehenden Kasernengebäude umfassend zu sanieren, um daraus Wohnungen zu machen. Bevor der erste Bagger rollt, besuchten die Kinder der Schönwalder Grundschule “Menschenskinder” den Erlenbruch. Ihre Stadtentdecker-Mission: Eigene Ideen für die Umgestaltung des Areals entwickeln.
Im Erlenbruch befindet sich ein alter 1935 eröffneter Militärflughafen, der damals von der deutschen Wehrmacht zur Ausbildung neuer Piloten genutzt wurde. Während der DDR-Jahre hat die sowjetische Armee das Areal weiter verwendet – u.a., um Abhöranlagen für die Überwachung West-Berlins zu installieren. Bodo Oehme, Bürgermeister von Schönwalde-Glien: “Alles, was in Berlin gesprochen wurde, hat man hier mitgehört.”
Phasenweise waren bis zu 8.000 sowjetische Soldaten vor Ort stationiert. Seit der Wiedervereinigung steht der Erlenbruch allerdings komplett leer. An den alten Gebäuden und den imposanten Fliegerhallen nagt derweil der Zahn der Zeit.
Insbesondere in der Corona-Zeit wurde der Erlenbruch als sogenannter “Lost Place” von vielen Hobby-Fotografen aufgesucht. Auch fanden in den leerstehenden Gebäuden immer wieder illegale Rave-Parties mit vielen hundert Jugendlichen statt.
Aber: Dem Erlenbruch steht eine ganz besondere Auferstehung bevor. Die Schönwalde Wohnen GmbH & Co KG hat das Areal erworben und plant, den alten Gebäudebestand zu sanieren und um einige neu zu bauende Dreigeschosser zu erweitern. Auf diese Weise könnten 1.550 Wohneinheiten für etwa 3.750 neue Bewohner entstehen. Bürgermeister Bodo Oehme: “Die Gemeinde Schönwalde-Glien besteht aus sieben Ortsteilen. Der Erlenbruch würde wohl der achte Ortsteil werden.”
Nachdem es einige Monate nichts Neues über den Erlenbruch zu erzählen gab, kommt nun wieder etwas mehr Bewegung in die Projektplanung.
Bodo Oehme: “Die Umweltorganisationen haben Bedenken angemeldet. Es geht darum, dass die späteren Bewohner des Erlenbruchs bitteschön keinen Zutritt zum angrenzenden 694 Hektar großen FFH-Schutzgebiet erhalten sollen. Hier gelten besonders strenge Regeln. So müssen wir uns etwa an den Weideplan des Landes Brandenburg halten, um z.B. seltene Orchideen zu bewahren. Wir haben das Areal an den Biobauern Querhammer aus Potsdam verpachtet. Der beauftragt unseren Schäfer Kolecki, 500 Schafe auf dem Areal weiden zu lassen. In diesem Kontext müssen jetzt noch Fragen geklärt werden: Setzt man eine Hecke oder baut man einen Zaun, um die zukünftigen Bewohner des Erlenbruchs vom Betreten abzuhalten? Der Investor muss nun noch einmal mit dem Bebauungsplan in die Offenlage. Es gibt im Dezember eine Gemeindevertretersitzung ausschließlich zu diesem Thema. Ich denke, dass der Bürger die etwa 700 Seiten mit den Hauptunterlagen ab Ende Februar einsehen kann. Eine Baugenehmigung für zwei neue Wohnhäuser mit jeweils 30 Wohneinheiten liegt übrigens schon vor.”
Der Ausbau vom Erlenbruch zu einem neuen Quartier steht in der Kritik. Vor allem, weil die Havelländer dann mit noch mehr Verkehr rechnen, der auf die Straße drängt. Bürgermeister Bodo Oehme mahnt in diesem Zusammenhang immer wieder den Bau eines neuen Bahnhofs an der Bötzower Brücke an, um den Verkehr auf die Schiene zu bringen.
Die Kritiker würden anstelle von neuem Wohnraum vielleicht lieber einige der Ideen realisiert sehen, die sich die Schönwalder Kinder zurzeit ausdenken. Die Klasse 5a der Schönwalder Grundschule Menschenskinder beteiligt sich am Projekt “Die Stadtentdecker”, das 2013 von der Brandenburgischen Architektenkammer angeschoben und u.a. vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung gefördert wird. Ziel ist es unter Anleitung eines Architekten, bei den Kindern ein Bewusstsein für die Architektur in ihrer Umgebung zu wecken und sie dazu zu ermutigen, eigene Ideen zu entwickeln. Wie also könnte in ihren Augen eine “Kinderstadt Schönwalde” aussehen?
Am 2. November trafen 20 Schüler mit dem Bus im Erlenbruch ein, um den “Lost Place” mit staunenden Augen zu erkunden. Als Architektin begleitete Martina Nadansky aus Hohen Neuendorf die neugierigen Kinder. Und ein ganz besonderer Lehrer war ebenfalls mit dabei: Bodo Oehme führte die Kinder im Stechschritt über das Gelände und erzählte spannende Geschichten über alte Fliegerhangars, das leerstehende Schwimmbad, den alten Tower und die gegen Luftminen gesicherten Kasernendächer.
Und er appellierte an die Kinder: “Wenn ihr etwas plant, denkt immer an den Bedarf der Menschen, die hier einmal wohnen. Sie wollen schlafen, essen, zur Arbeit fahren. Sie brauchen eine Heizung, ein Abwassersystem, Erholungsflächen und Wege. Das alles muss mit eingeplant werden.”
Die Schüler fühlten sich vom maroden Charme der leeren Häuser durchaus inspiriert. Architektin Martina Nadansky: “Wir haben den spannenden Rundgang in der Schule noch einmal ausgewertet. Die Kinder haben bereits sehr gute erste Ideen entwickelt. So planen sie, in den alten Flugzeughangars ein Flugzeugmuseum, einen Indoor-Sportpark oder eine Skaterhalle umzusetzen. Im alten Heizwerk sehen sie einen Kletterpark oder einen Musikclub. In der Mannschaftskantine soll ein Erlebnisrestaurant entstehen. Und aus einem der Wohnhäuser wird ein Hotel.”
Jedenfalls in der Vorstellung der Kinder, die demnächst auch Modelle ihrer Visionen bauen werden.
Während die Kindern noch spannende Luftschlösser bauen, muss sich die Gemeinde Schönwalde-Glien mit ganz handfesten Überlegungen beschäftigen. Ein städtebaulicher Vertrag mit dem Investor regelt, dass er sich am Straßenbau beteiligt und im Erlenbruch selbst eine neue Kita baut.
Könnte das Projekt Erlenbruch noch kippen? Das sieht Bürgermeister Oehme anders: “Bei dem Druck auf den Wohnungsmarkt, den wir gerade verspüren, kann ich mir das nicht vorstellen. Wir brauchen dringend neuen Wohnraum. Ich denke, wenn es das finale GO gibt, dann wird es noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis die ersten Mieter im Erlenbruch einziehen können.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 189 (12/2021).